Pflicht

Pflicht

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Pflicht [pf̮lɪçt], die; -, -en:
1.
a) etwas, was zu tun jmd. als eine (innere, sittliche, moralische) Verpflichtung ansieht, was seine eigenen bzw. die gesellschaftlichen Normen von ihm fordern:
eine selbstverständliche Pflicht erfüllen; die Pflicht haben, etwas Bestimmtes zu tun; es für seine Pflicht halten zu helfen; sich etwas zur Pflicht machen.
Zus.: Dankespflicht.
b) Aufgabe, die jmd. zu erledigen hat, die eine ihm obliegende, zugewiesene Arbeit o. Ä. ist:
sie hat viele Pflichten; seine Pflichten sind ihm zur Bürde geworden.
Syn.: Obliegenheit (geh.).
Zus.: Alltagspflicht, Repräsentationspflicht.
2. (bei einem Wettkampf) Übung, deren einzelne Teile vorgeschrieben sind (im Unterschied zur Kür):
die Pflicht im Kunstturnen.
Syn.: Übung.

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Pflịcht1 〈f. 20
1. jmdm. aufgrund sozialer, moralischer, sittlicher od. dienstlicher Prinzipien od. Vorschriften zufallende Aufgabe, Obliegenheit, etwas, das man tun muss (Amts\Pflicht, Dienst\Pflicht, Ehren\Pflicht, Schul\Pflicht)
2. 〈Sp.; kurz für〉 Pflichtübung
● das ist deine (verdammte 〈umg.〉) \Pflicht und Schuldigkeit ● seine \Pflichten (treu, gewissenhaft) erfüllen; die \Pflicht ruft 〈fig.; umg.〉 ich muss zur Arbeit, zum Dienst; seine \Pflicht tun; Sie brauchen mir nicht zu danken, ich habe nur meine \Pflicht getan ● berufliche, dienstliche, häusliche, tägliche \Pflichten; eheliche \Pflichten; elterliche, kindliche \Pflicht; gleiche Rechte und gleiche \Pflichten haben; ich habe die schwere, traurige \Pflicht, Ihnen mitzuteilen ... ● ich halte es für meine \Pflicht, ihm zu helfen; jmdn. in die \Pflicht nehmen jmdm. bestimmte Pflichten od. Aufgaben auferlegen; ich habe es mir zur Pflicht gemacht, ihn zu unterstützen [<ahd. pfliht <westgerm. *plehti-, Ableitung von *plegan;pflegen]
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Pflịcht2 〈f. 20Schutzdach im Vorschiff [<ahd. pflihta <lat. plecta „Flechtwerk“; zu plectere „flechten, ineinanderfügen“; → Pflicht1]

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Pflịcht , die; -, -en [mhd., ahd. pflicht, zu pflegen]:
1. Aufgabe, die jmdm. aus ethischen, moralischen, religiösen Gründen erwächst u. deren Erfüllung er sich einer inneren Notwendigkeit zufolge nicht entziehen kann od. die jmdm. obliegt, die als Anforderung von außen an ihn herantritt u. für ihn verbindlich ist:
staatsbürgerliche P.;
eheliche -en (oft verhüll.; Verpflichtung zum Geschlechtsverkehr mit der Ehepartnerin, dem Ehepartner);
die P. ruft (eine Aufgabe, Arbeit wartet auf [unmittelbare] Erledigung);
seine P. erfüllen, vernachlässigen;
etw. als eine P. ansehen;
wir erfüllen hiermit, haben die traurige P., Ihnen mitzuteilen (müssen Ihnen zu unserem Bedauern, aus traurigem Anlass mitteilen), dass …;
der P. genügen;
etw. nur aus P. (nur ungern, nicht freiwillig) tun;
jmdm. etw. streng zur P. machen;
jmds. P. und Schuldigkeit sein, (emotional:) jmds. verdammte/verfluchte P. und Schuldigkeit sein (jmds. selbstverständliche Pflicht sein);
jmdn. in [die] P. nehmen (geh.; dafür sorgen, dass jmd. eine bestimmte Pflicht übernimmt).
2. (Sport) bei einem Wettkampf vorgeschriebene Übung[en] (im Unterschied zur Kür).

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Pflicht,
 
Ethik: eine verbindliche Aufgabe oder Handlung, gegenüber der sich der Einzelne oder eine Gruppe verantwortlich weiß. Pflichten haben ihre Begründung meist in gewohnheitsmäßigen, kulturellen oder rechtlichen Normen und sind damit durch die faktische Autorität einer verordnenden Instanz (Familie, gesellschaftliche Gruppen, Staat) vorgegeben. Sie können in Moral und Sitte und damit in angeeigneten Wertmaßstäben, Handlungsregeln und auch Sinnvorstellungen begründet liegen oder durch Moralität im Sinne der Entscheidung des Menschen als freies Vernunftwesen für das Tun des Guten um seiner selbst willen bedingt sein.
 
In der Philosophie bezeichnete der Terminus unter dem Einfluss des römisch-stoischen Begriffs »officium« (Cicero), der mit Pflicht übersetzt wurde, zunächst einen bestimmten beruflichen oder gesellschaftlichen Aufgabenkreis, dessen Erfüllung zugleich als sittliche Forderung erschien, dann auch überhaupt jedes sittlich geforderte Verhalten oder die sittliche Forderung als solche.
 
Die Pflicht wird zum Teil auf ein Gesetz zurückgeführt, das dem Menschen entweder von der Natur (Naturrecht) und der eigenen Natur als Vernunftwesen (Autonomie) oder Gemeinschaftswesen oder von Gott als Maßstab seines Handelns vorgegeben ist. Aber auch aus dem erkannten Wert oder Unwert eines Verhaltens oder seiner Ziele und voraussichtlichen Folgen kann die Pflicht abgeleitet werden. In Anlehnung an I. Kant bezeichnet Pflicht dasjenige, was jemand aus unbedingten moralischen Gründen tun soll (kategorischer Imperativ). Sie hat den Charakter von uneingeschränkter Verbindlichkeit und Nötigung, die der vernünftigen, wollenden oder triebhaften Neigung des Menschen durchaus entgegenstehen kann. In modernen Überlegungen werden zudem die denkbaren Unterschiede in Art, Beziehungsform und Durchsetzbarkeit der Pflicht berücksichtigt, so z. B. vollkommene und unvollkommene Pflichten, die Pflicht gegen sich selbst, gegen andere und gegen Gott, in Anlehnung an Kant Rechtspflicht und Tugendpflicht, und in der Perspektive des Handelnden als Pflichtbewusstsein (Innewerden und Erfüllung bestimmter Pflichten) und Pflichtgefühl (Wertschätzung der Pflicht) reflektiert. Ist im Einzelfall die Erfüllung mehrerer Pflichten miteinander unvereinbar, so entsteht ein Konflikt der Pflichten (Pflichtenkollision).
 
In der Pädagogik galten Pflichterfüllung, Pflichtbewusstsein und Pflichtgefühl bis zur Reformpädagogik des 20. Jahrhunderts in Deutschland als unbestrittene Ziele einer Charaktererziehung, die auf die Prägung fester Gewohnheiten, Ordnungen und Wertvorstellungen gerichtet war. Nicht zuletzt aufgrund des politischen Missbrauchs des Pflichtbegriffs (Pflicht als unbedingter Gehorsam gegenüber obrigkeitlich gesetzten Normen unabhängig von deren moralischen Qualität) will die Pädagogik heute dagegen die individuelle Fähigkeit zur kritischen Unterscheidung zwischen zeitlos gültigen und zeitbedingten, gesellschaftlich-kulturell geprägten Normvorstellungen und die Fähigkeit zur Einsicht als Voraussetzung für ethisch verantwortungsvolle Entscheidungen in unterschiedlichen Lebenssituationen fördern.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Gewissen · Norm · Person · Verantwortung
 
 
I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785, Nachdr. 1984);
 I. Kant: Kritik der prakt. Vernunft (1788, Nachdr. 1984);
 G. H. von Wright: An essay in deontic logic and the general theory of action (Amsterdam 1972);
 U. Wolf: Das Problem des moral. Sollens (1984);
 W. D. Ross: The right and the good (Neuausg. Indianapolis, Ind., 1988);
 O. O'Neill: Tugend u. Gerechtigkeit. Eine konstruktive Darst. des prakt. Denkens (a. d. Engl., 1996).

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Pflịcht, die; -, -en [mhd., ahd. pflicht, zu ↑pflegen]: 1. Aufgabe, die jmdm. aus ethischen, moralischen, religiösen Gründen erwächst u. deren Erfüllung er sich einer inneren Notwendigkeit zufolge nicht entziehen kann od. die jmdm. obliegt, die als Anforderung von außen an ihn herantritt u. für ihn verbindlich ist: eine sittliche, moralische, selbstverständliche, schwere P.; staatsbürgerliche, berufliche, amtliche, häusliche, die alltäglichen kleinen -en; eheliche -en (oft verhüll. für: Verpflichtung zum Geschlechtsverkehr mit der Ehepartnerin, dem Ehepartner); eine P. der Höflichkeit, der Dankbarkeit; die P. der Eltern; Eine der schwierigsten und peinlichsten -en des Kritikermetiers sei es - meinte Fontane -, auch Berühmtheiten „unwillkommene Sachen sagen zu müssen“ (Reich-Ranicki, Th. Mann 253); die P. fordert, verlangt, dass ...; es galt als P., persönliche Opfer nicht zu scheuen; der Kirchgang am Sonntag war P. (Dönhoff, Ostpreußen 156); dass die erste P. der Untertanen ... darin bestehe (Thieß, Reich 511); die P. ruft (eine Aufgabe, Arbeit wartet auf [unmittelbare] Erledigung); die P. haben, etw. zu tun; -en übernehmen, auf sich nehmen; jmdm. eine P., etw. als P. auferlegen; seine P. erfüllen, tun, kennen, versäumen, vergessen, vernachlässigen; etw. als eine P. ansehen, empfinden, betrachten; sie wollen nur Rechte, aber keine -en haben; wir erfüllen hiermit, haben die traurige P., Ihnen mitzuteilen (müssen Ihnen zu unserem Bedauern, aus traurigem Anlass mitteilen), dass ...; der P. genügen, gehorchen; sich seinen -en entziehen; etw. enthebt jmdn. seiner P.; du entledigst dich deiner -en sehr nachlässig; jmdn. an seine P. erinnern; sich auf seine P. besinnen; etw. nur aus P. (nur ungern, nicht freiwillig) tun; es für seine P. halten, jmdn. zu warnen; Er hätte lange gezögert, hielte es nun aber für seine vaterländische P., Meldung zu erstatten (Weber, Tote 218); es mit seinen -en nicht so genau nehmen; nach P. und Gewissen handeln; sich nicht um seine -en kümmern; jmdn. von seiner P. lossprechen; sie machte es sich zur P., jeden Tag ein Kapitel zu lesen; jmdm. etw. streng zur P. machen; es gehört zu seinen -en, das Haus abzuschließen; *jmds. P. und Schuldigkeit sein, (emotional:) jmds. verdammte/verfluchte P. und Schuldigkeit sein (nachdrücklich; jmds. selbstverständliche Pflicht sein); jmdn. in [die] P. nehmen (geh.; dafür sorgen, dass jmd. eine bestimmte Pflicht übernimmt). 2. (Sport) bei einem Wettkampf vorgeschriebene Übung[en] im Unterschied zur Kür: eine ansprechende, verunglückte P.; die P. im Kunstturnen, Turmspringen.

Universal-Lexikon. 2012.

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